Bedingungen für die Geltendmachung des Anspruchs auf den Vorsteuerabzug, oder muss der Unternehmer den sog. deklarierten Lieferanten nachweisen?

Jeder Unternehmer – Umsatzsteuerpflichtige ist sich dessen bewusst, welche Grundbedingungen erfüllt sein müssen, um den Anspruch auf den Vorsteuerabzug geltend machen zu dürfen. Er muss die Leistung von einen anderen Umsatzsteuerpflichtigen erhalten und sie nachfolgend für seine steuerpflichtige Geschäftstätigkeit verwenden. In beiden Fällen trägt er die Beweislast. In den letzten Jahren ist die Rede von einer weiteren Bedingung, ohne die der Leistungsempfänger nicht berechtigt ist den Vorsteuerabzug zu beanspruchen. Die Bedingung ist der Nachweis des. sog. deklarierten Lieferanten, d.h. der Person, die in der Rechnung angegeben ist. Mit dieser Bedingung beschäftigt sich der folgende Artikel.  

Wie bereits in der Einleitung angedeutet, hat der Umsatzsteuerpflichtige den Anspruch auf den Vorsteuerabzug zum Zeitpunkt der Erfüllung der sog. materiell-rechtlichen Bedingungen für den Anspruch, zu denen gehören: (i) der Leistungserbringende ist ein anderer Umsatzsteuerpflichtige, (ii) die gegenständliche Leistung besteht tatsächlich (es handelt sich um keine fiktive Lieferung) und (iii) die erhaltene Leistung wird von dem Leistungsempfänger im Rahmen dessen steuerpflichtigen Geschäftstätigkeit eingesetzt.  

Die Auffassung der Finanzämter, die bereits mehrere Jahre anhält, ist, dass zu den o.a. Bedingungen ebenfalls die Bedingung des sog. deklarierten Lieferanten gehört. Da der Leistungsempfänger die Beweislast trägt, hat der Umsatzsteuerpflichtige dann auch die Erfüllung dieser vierten Bedingung nachzuweisen. Auf den ersten Blick könnte der Schein erweckt werden, dass es sich aus Sicht des praktischen wirtschaftlichen Lebens um nichts so Grundlegendes handelt, aber ganz im Gegenteil. Ein vorsichtiger Unternehmer (Leistungsempfänger) verfügt in der Regel über Beweise (höchstwahrscheinlich Verträge und andere Urkunden), mit denen er das tatsächliche Bestehen der Ware oder Dienstleistung, die er empfing, nachweisen kann. Zugleich sollte es für ihn kein Problem sein nachzuweisen, dass er diese im Rahmen seiner Geschäftstätigkeit einsetzte. In den meisten Fällen, die ich in der Praxis heutzutage behandle, sind die aufbewahrten Dokumente nicht mehr im Stande zuverlässig nachzuweisen, dass die gegenständige Leistung gerade von derjenigen Person erbracht wurde, die in der Rechnung als Warenlieferant oder Dienstleistungserbringender angegeben ist. Der Kern der vierten materiell-rechtlichen Bedingung ist gerade das Nachweisen der Tatsache, dass die Ware geliefert oder die Dienstleistung von dem Umsatzsteuerpflichtigen erbracht wurden, der in der Rechnung angegeben ist, und von niemanden anderen (z. B. von keinem anderen Umsatzsteuerpflichtigen). Die Beweislast bei dieser Tatsache in der Praxis zu tragen bereitet ziemlich große Schwierigkeiten; dessen sind sich auch die Finanzämter bewusst, die den überwiegenden Teil von heutigen Umsatzsteuerprüfungen gerade auf das Nachweisen des sog. deklarierten Lieferanten fokussieren.  

Der Streit zwischen der Rechtsmeinung der tschechischen Finanzverwaltung (unter der methodischen Leitung der Generalfinanzdirektion) und inländischen Umsatzsteuerpflichtigen musste logischerweise bis vor den Gerichtshof der Europäischen Union kommen, der die einzige Autorität ist, die eine verbindliche Auslegung des harmonisierten MWSt-Systems in der EU gibt. Der Gerichtshof befasste sich in seinem Urteil vom 9. Dezember 2021 in Sachen AZ C-154/20 Kemwater ProChemie s.r.o. gerade mit dieser brennenden Frage. Die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union führte zu den folgenden Schlüssen:

  • Die Angabe der Person des Lieferanten selbst in der Rechnung ist keine materiell-rechtliche Bedingung,
  • die Stellung (der Status) des Lieferanten ist hingegen bereits die materiell-rechtliche Bedingung.

Laut dem Gerichtshof ist es für den Erhalt des MWST-Neutralitätsgrundsatzes von Schlüsselbedeutung, dass es nicht zu den Fällen kommt, in denen der tatsächliche Warenlieferant (Leistungserbringende) ein nicht eingetragener Umsatzsteuerpflichtiger ist, aber der Leistungsempfänger die Umsatzsteuer abzieht, da in der Rechnung ein anderer Umsatzsteuerpflichtiger angegeben wird, der die Leistung jedoch nicht tatsächlich erbrachte. Daher hält der Gerichtshof eindeutig fest, dass dem Leistungsempfänger ein Anspruch auf den Vorsteuerabzug nur dann entsteht, wenn die Leistung tatsächlich von einem eingetragenen Umsatzsteuerpflichtigen ohne Rücksicht darauf erbracht wurde, wer in der Rechnung angegeben ist.  

Zugleich kann aus dem Urteil abgeleitet werden, dass der Leistungsempfänger die Beweislast zum Nachweisen des tatsächlichen Lieferanten (des Steuerpflichtigen) hat. Sofern sich auch aus allen Umständen des Falles ergibt, dass die umstrittene Leistung, was ihre Natur (technologischer Aufwand) oder ihren Preis (höher als 1 Mio. CZK einmalig, bzw. bei wiederholter Leistung im Laufe von 12 nacheinander folgenden Monaten) angeht, von einem Umsatzsteuerpflichtigen erbracht werden musste, ergänzt der Gerichtshof klar, dass in so einem Fall die Bedingung für die Entstehung des Anspruchs auf den Vorsteuerabzug als erfüllt gilt.

Wie ist es daher mit dem Nachweisen des sog. deklarierten Lieferanten nach der Entscheidung in Sachen Kemwater? Es ist weiterhin angebracht, dass wir mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns möglichst viele Beweise sammeln, mit denen wie im Bedarfsfall der Finanzverwaltung nachweisen können, dass wir die Leistung von einem Umsatzsteuerpflichtigen empfingen. Das Finanzamt kann uns aber nicht mehr den Vorsteuerabzug in dem Fall verweigern, wenn es sich zeigt, dass die Leistung tatsächlich von einem anderen Umsatzsteuerpflichtigen erbracht wurde, als von dem, der in der Rechnung angegeben ist. Und dies ist schon mal ein großes Plus!