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Aktuelle Judikate im Bereich Umsatzsteuer

Aktuelle Judikate im Bereich Umsatzsteuer

Der Gerichtshof der Europäischer Union (EuGH) verkündete neulich zwei interessante Urteile, die meiner Meinung nach eine bedeutende Auswirkung auf die bisherige Verwaltungspraxis haben werden.

Das erste Urteil ändert den Blickwinkel auf den Beginn der Frist für die Berichtigung des Nettobetrags im Falle einer uneinbringlichen Forderung (Urteil C ‑ 507/20 FGSZ Földgázszállító vom 3. März 2021).

Das Urteil gibt an, dass wenn eine inländische Verjährungsfrist für die Stellung des Antrags auf die USt-Rückerstattung aus einer uneinbringlichen Forderung festgelegt ist, muss die Frist nicht zum Zeitpunkt der ursprünglichen Fälligkeit der Forderung beginnen, sondern zum Zeitpunkt, als die Forderung endgültig uneinbringlich wurde.

Im tschechischen Umsatzsteuergesetz heißt es im Abs. 4 § 46, dass die Berichtigung des Nettobetrags bei uneinbringlichen Forderungen, sprich dass der Staat dem Lieferanten die abgeführte USt rückerstattet, nicht nach Ablauf von 3 Jahren nach dem Ende des Besteuerungszeitraumes erfolgen kann, in dem die steuerbare Leistung erbracht wurde.  

Es ermöglicht zwar die genannte Frist zu unterbrechen, z.B. im Falle eines geführten Zwangsvollstreckungsverfahrens, Insolvenzverfahrens oder während des Nachlassverfahrens, aber es wird immer die Frist schon bereits ab dem Zeitpunkt der Warenlieferung, bzw. Dienstleistungserbringung gerechnet. Dies steht ganz offensichtlich im Widerspruch zum o.a. Urteil.

Das Urteil hat sich mit dem Fall befasst, in dem die Gesellschaft FGSZ im Jahre 2011 ihre Forderung fürs Insolvenzverfahren angemeldet hat und die Forderung nach dem Abschluss dieses Verfahrens in 2019 endgültig als eine offene Forderung erloschen ist. FGSZ hat nachfolgend einen Antrag auf die USt-Rückerstattung gestellt, der von der Steuerbehörde wegen dem erfolglosen Ablauf der inländischen Verjährungsfrist von fünf Jahren zurückgewiesen wurde, gerechnet von der ursprünglichen Fälligkeit der Forderung.

Das EuGH hat abgelehnt die inländische Frist zu akzeptieren, die eigentlich die Berichtigung des Nettobetrags verhindert, z. B. aus dem Grund der Dauer des Eintreibungsverfahrens und somit auch der praktischen Nutzung des genannten Steuerinstituts der Berichtigung des Nettobetrags.

Das EuGH hat darauf hingewiesen, dass wenn ein Mitgliedsstaat festgelegt hat, dass  der Anspruch des Gläubigers auf die Senkung des Nettobetrags gemäß Art. 90 der MWST-Richtlinie der Verjährung unterliegt, muss die entsprechende Verjährungsfrist nicht zum Zeitpunkt der ursprünglich festgelegten Fälligkeit der Forderung beginnen, sondern zum Zeitpunkt, in dem die Forderung endgültig uneinbringlich wurde. Das EuGH hat daraufhin ergänzt, dass der Art. 90 Abs. 1 der Richtlinie die Bedingungen dafür erfüllt, dass er eine direkte Wirkung hat.

Das o.a. Urteil setzt sich zwar nicht mit weiteren Fristen für die Berichtigung des Nettobetrags auseinander, aber es ist davon auszugehen, dass die Ansicht des EuGH sich auch in diesen Fällen nicht unterscheiden würde.

Eine noch bedeutendere Auswirkung wird für die Verwaltungspraxis das Urteil des EuGH haben, das sich mit den Pauschalsanktionen beim unbegründeten Vorsteuerabzug (Urteil C ‑ 935/19 Grupa Warzywna vom 15. April 2021) befasst hat.

In diesem Urteil kommt das EuGH zum Schluss, dass so eine inländische Rechtsregelung im Widerspruch zur MWST-Richtlinie und dem Proportionalitätsgrundsatz steht, die eine Pauschalsanktion in Höhe von 20 % des unbegründet in Anspruch gestellten Vorsteuerabzugs in dem Fall festlegt, in dem die Leistungsbeteiligten unrichtig die steuerliche Behandlung der Leistung beurteilt haben, wobei nichts auf eine Steuerhinterziehung hindeutet.

Die inländische Regelung für Sanktionen legt im § 251 Abgabenordnung u.a. eine Pauschalstrafe in Höhe von 20% der nachbemessenen Steuerpflicht fest, und zwar ohne Rücksicht auf den Grund, aus welchem die USt nachbemessen wurde. Es ist daher davon auszugehen, dass es um die identische Sanktion geht, zu der das EuGH Stellung genommen hat.

Die polnische Gesellschaft hat eine Immobilie erworben und hat USt abgezogen, die sie dem Verkäufer bezahlt hat. Die polnische Steuerbehörde ist zu dem Schluss gekommen, dass die Vertragsparteien unrichtig die USt-Behandlung der jeweiligen Leistung beurteilt haben. Aus dem Grund, dass sie keine Erklärung über den Verzicht auf die Befreiung vorgelegt haben (s. § 56 Abs. 6 tschechisches UStG), hat es sich um eine steuerfreie Immobilienübertragung gehandelt. Infolgedessen hat die Steuerbehörde der Gesellschaft den Vorsteuerabzug abgelehnt und ihr eine gesetzliche Sanktion in Höhe von 20 % von dem Betrag des unbegründet in Anspruch gestellten Abzugs festgelegt.

Das EuGH hat ausgeführt, dass die genannte Sanktion in dem Fall einem Steuerpflichtigen automatisch auferlegt wird, der eine Leistung bezüglich MWST unrichtig qualifiziert hat. Daher ermöglicht es den Steuerbehörden nicht die Art und Weise der Festsetzung Höhe individuell so zu beurteilen, dass sichergestellt ist, dass sie nicht über den Rahmen dessen geht, was zur Erreichung des Ziels eines ordentlichen Steuereinzugs und der Vorbeugung von Steuerhinterziehung notwendig ist. So eine inländische Regelung steht dann im Widerspruch zum Art. 273 MWST-Richtlinie und zum Proportionalitätsgrundsatz.

Das EuGH hat grundsätzlich der Steuerbehörde auferlegt, dass sie bei der Auferlegung von Sanktionen berücksichtigt, auf welche Art und Weise es seitens des Steuerpflichtigen zur MWST-Kürzung gekommen ist. Im Hinblick auf die Fassung der Abgabenordnung kann, meiner Meinung nach, von dem o.a. Urteil z.B. beim Antrag auf den Erlass von auferlegten Sanktionen Gebrauch gemacht werden. Genauso wie in dem vorherigen Fall ist die Steuerbehörde verpflichtet das o.a. EuGH-Urteil seit dem Tag dessen Verkündung in der Verwaltungspraxis zu akzeptieren.

 

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