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Tätigkeit des Leitungsorganmitglieds als Erwerbstätigkeit

Tätigkeit des Leitungsorganmitglieds als Erwerbstätigkeit

Das Oberste Verwaltungsgericht (OVG) knüpfte an ihre frühere Judikatur1 an, als es durch die Urteile 3 Afs 82/2019 – 38 und 2 Afs 76/2019 - 33 vom 21. Juni 2021, bzw. vom 15. Juli 2021 die Tätigkeit des Leitungsorganmitglieds als eine Erwerbstätigkeit definierte.  

In seinen Entscheidungen beurteilte das OVG die Tätigkeit des Vorstandsvorsitzenden einer Handelsgesellschaft und kam, genauso wie in der vorherigen Judikatur beim Geschäftsführer einer Handelsgesellschaft, zum Schluss, dass die Tätigkeit als eine selbständige Erwerbstätigkeit gilt.

Zugleich kam das OVG erneuert auch zum Schluss, dass das tschechische Umsatzsteuergesetz (nachfolgend „UStG“ genannt) im Widerspruch zur Richtlinie des EU-Rats über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (nachfolgend „MwStSystRL“ genannt) steht, indem es im § 5 Abs. 3 heißt, dass die Tätigkeit des Leitungsorganmitglieds einer Handelsgesellschaft aus der USt als keine Erwerbstätigkeit gilt. Der Grund ist die Tatsache, dass die Vergütung für die Tätigkeit der Einkommensteuer aus nicht selbständiger Arbeit gemäß § 6 Einkommensteuergesetz unterliegt2.

Die Steuerbehörde wies der Klägerin einen Vorsteuerabzug aus den Leistungen ab, die ihr von einem Mitglied deren Vorstands auf Grund des Mandatsvertrags gewährt wurden, und zwar aus dem Grund, dass die Leistung nicht von einem Steuerpflichtigen gewährt wurde.

Das OVG wies auf 2 Afs 100/2016 – 29 hin, wobei es keine relevanten Unterschiede fand, die eine abweichende Beurteilung der Ausübung der Tätigkeit des Vorstandsvorsitzenden einer AG von der Ausübung der Tätigkeit des Geschäftsführers einer GmbH begründen würden.

Aus der Judikatur des Gerichtshofs ergibt sich, dass für die Schlussziehung, ob eine bestimmte Erwerbstätigkeit eine selbständige Arbeit ist, zwei Aspekte der durchgeführten Tätigkeit entscheidend sind. Es handelt sich um den Aspekt der Autonomie der ausgeübten Tätigkeit und die damit verbundenen Verantwortlichkeiten.

Nach Meinung des OVG kann in der Natur der Tätigkeit des Geschäftsführers einer Handelsgesellschaft bzw. des Vorstandsvorsitzenden einer AG nach tschechischem Recht den geforderten Aspekt der autonomen Ausübung der Tätigkeit und die damit verbundenen Verantwortlichkeiten gesehen werden. Auf Grund dieses Schlusses fand das Gericht eine Ähnlichkeit in der Ausübung der Tätigkeit des Leitungsorganmitglieds mit dem Fall, der vom EuGH in Sachen C-202/903 Recaudadores verhandelt wurde.

Das OVG stellte also fest, dass wenn Geschäftsführer oder Vorstandsvorsitzende ihre Tätigkeiten entgeltlich ausüben, haben diese als selbständige Erwerbstätigkeiten im Sinne des Art. 9 Abs. 1 MwStSystRL zu gelten und sind nicht aus dem System auf Grund des Art. 10 MwStSystRL auszuschließen.

Zu dem Einklang des UStG mit dem Art. 10 der MwStSystRL stellte dann das Gericht fest, der § 5 Abs. 3 UStG dadurch, dass er Geschäftsführer-natürliche Personen aus dem MWSt-System aus dem Grund deren Besteuerung mit der Einkommensteuer ausschließt, eine unzulässige Ungleichheit begründet, die aus der Rechtsnorm hervorgeht. Der Grund ist die Tatsache, dass zum Geschäftsführer auch eine juristische Person werden kann, allerdings bezieht sich auf diese nicht der Ausschluss aus dem Kreis der Steuerpflichtigen, obwohl die Natur der Tätigkeit des Geschäftsführers immer gleich ist.   

Den Bestimmungen der MwStSysrRL, namentlich Artikel 9 und 10, ist in diesem Fall die unmittelbare Wirkung zuzusprechen, d.h. die Tauglichkeit der unmittelbaren Anwendung auf den von der nationalen Behörde verhandelten Fall.

Der in der Praxis zitierte Schluss des OVG heißt, dass Geschäftsführer bzw. Vorstandsmitglieder (und wahrscheinlich auch weitere Personen in ähnlicher Position) ihre Vergütung für die Ausübung der Tätigkeit für eine Leistung erhalten können, die der USt unterliegt. In so einem Fall stellen sie eine Rechnung für die Vergütung aus, die sie mit dem Umsatzsteuerregelsatz besteuern und der Leistungsempfänger hat Anspruch auf den Steuerabzug. Das o.a. Verfahren wird in den Fällen angewandt, in denen es sich um inländische Leistungen handelt.  

Sicherlich stellt sich da die Frage, warum es für Geschäftsführer – Steuerpflichtige – günstiger wäre die oben genannte Besteuerung vorzunehmen? 

Erlauben Sie mir ein Beispiel zu nennen:

Der Geschäftsführer der Handelsgesellschaft XY ist zugleich selbständig und– steuerpflichtig. Er beschafft einen Personalwagen fürs Betriebsvermögen und macht dafür den Vorsteuerabzug geltend. Er benutzt den Wagen auch für die Tätigkeit als Geschäftsführer der Handelsgesellschaft. Es ist die Frage zu stellen, ob er berechtigt ist, den vollen Vorsteuerabzug bei der Anschaffung des Wagens geltend zu machen. Im Falle, wenn die Tätigkeit des Geschäftsführers gemäß § 5 Abs. 3 UStG als keine Erwerbstätigkeit bewertet wird, ist sein Vorsteuerabzug nach § 75 UstG beschränkt. Er muss das Verhältnis zwischen seiner Erwerbstätigkeit (Tätigkeit als Selbständiger) und der Ausübung der Tätigkeit des Geschäftsführers festlegen (z.B. das Verhältnis der Erträge aus den einzelnen Tätigkeiten) und den Vorsteuerabzug aus dem angeschafften Wagen mit diesem „Verhältniskoeffizienten“ kürzen. Und wir können darüber nachdenken, für welche weiteren erhaltenen Leistungen der Vorsteuerabzug zu kürzen ist (z.B. Kraftstoff, Fahrzeugreparaturen…).

Im Falle, dass Sie Gebrauch von der unmittelbaren Wirkung der MwStSysrRL machen und Sie die Tätigkeit des Geschäftsführers im Einklang mit dem Art. 9 MwStSysrRL für eine Erwerbstätigkeit halten, wird sein Vorsteuerabzug aus dem Grund der Ausübung der Tätigkeit des Leitungsorgans mit Nichten beschränkt.

Abschließend möchte ich darauf hinweisen, dass die Steuerbehörde nicht berechtigt ist das von dem Leitungsorgan gewählte Verfahren - die Geltendmachung bzw. Nichtgeltendmachung der USt bei seiner Vergütung – anzufechten.

 

1 Urteil des OVG 2 Afs 100/2016-29 vom 22. November 2016

2 § 5 Abs. 3 UStG – als selbstständige Erwerbstätigkeit gilt nicht die Tätigkeit der Arbeitnehmer oder anderer Personen, die einen Vertrag mit dem Arbeitgeber abgeschlossen haben, auf dessen Grundlage zwischen dem Arbeitgeber und Arbeitnehmer ein Arbeitsrechtsverhältnis entsteht, bzw. die Tätigkeiten der Personen, die als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit besteuert werden.

3 Urteil EuGH – 202/90 Recaudadores vom 25. Juni 1991