Der Stand der Elektrotechnik in Tschechien: Wo wir jetzt stehen und was als Nächstes kommt
Der Stand der Elektrotechnik in Tschechien: Wo wir jetzt stehen und was als Nächstes kommt
Die Elektrotechnikindustrie steht nicht „irgendwo im Hintergrund“ – sie ist eine der Säulen der tschechischen verarbeitenden Industrie und das Herzstück von Hunderttausenden von Produkten. Im Jahr 2024 machte sie 14,4 % des Umsatzes der verarbeitenden Industrie aus, und der Umsatz der Branche erreichte 689 Mrd. CZK. Eine neue Studie der Elektrotechnischen Vereinigung der Tschechischen Republik in Zusammenarbeit mit BDO zeigt, dass sich der Sektor in den letzten Jahren in einem turbulenten globalen Umfeld behauptet hat, aber vor grundlegenden strategischen Herausforderungen steht: Er wird durch Personalmangel, teurere Energie, Geopolitik und Regulierung unter Druck gesetzt. Gleichzeitig wird er durch Digitalisierung, Automatisierung und den Druck zu höherer Wertschöpfung vorangetrieben. Der folgende Text bietet einen kurzen Überblick über ausgewählte Erkenntnisse der Studie.
Was sagen die Marktdaten?
Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Der Umsatz der Elektrotechnikbranche stieg von 607 auf 689 Milliarden Kronen, und der Sektor wird im Jahr 2024 etwa 14,4 % des Umsatzes der gesamten verarbeitenden Industrie ausmachen. Intern gibt es jedoch interessante Verschiebungen: Die Elektronik und Optik (NACE 26) hatte mit einem allmählichen Rückgang zu kämpfen, als ihr Anteil an der verarbeitenden Industrie von 7,8 % (2020) auf 5,9 % (2023) sank. Das Jahr 2024 brachte jedoch eine Erholung, und der Sektor kehrte mit einem Umsatz von über 320 Milliarden auf einen Anteil von rund 6,7 % zurück. Auf der anderen Seite stieg der Umsatz der Herstellung von elektrischen Ausrüstungen (NACE 27) jährlich von 300 Mrd. CZK im Jahr 2020 auf über 410 Mrd. CZK im Jahr 2023, und obwohl das Jahr 2024 einen leichten Rückgang mit sich brachte, bleibt das Wachstum der Branche bedeutend und hält einen stabilen Anteil von 7,7 % innerhalb der verarbeitenden Industrie.
Die Außenhandelsbilanz der Elektrotechnikindustrie ist negativ, und wir importieren mehr Produkte als wir exportieren. Dennoch gelang es NACE 27 im Jahr 2024 nach fünf Jahren, eine positive Bilanz zu erzielen. Bei NACE 26 verhindern unter anderem stärkere Importdruck bei ausgewählten Produkten (z. B. Telefone, Chips) eine positive Bilanz, die sich verschlechtert. Die Exporte in NACE 27 konzentrieren sich auf eine kleine Gruppe von Märkten – zehn Länder nehmen etwa drei Viertel der Exporte auf. Die Hauptmärkte bleiben Deutschland, die Slowakei, Polen und andere EU-Länder.
Wie ist der Sektor aufgebaut?
Die tschechische Elektroindustrie basiert auf einer breiten Basis kleiner und mittlerer Unternehmen, die die überwiegende Mehrheit der Unternehmen auf dem Markt ausmachen. Die MERK-Datenbank erfasst fast 4.900 Unternehmen, deren Haupttätigkeit in den Bereichen NACE 26 und 27 liegt; etwa 1.600 davon haben einen Jahresumsatz von über 500.000 CZK. Es gibt jedoch nur etwa 90 große Unternehmen mit einem Umsatz von über 1 Mrd. CZK – dennoch tragen gerade sie den größten Teil zum Umsatz und zur Beschäftigung bei. Geografisch konzentrieren sich die Unternehmen hauptsächlich auf Prag und die Region Mittelböhmen, was die Konzentration von Kapazitäten, Logistik und Dienstleistungen in dieser Region widerspiegelt.
Die Studie enthält auch eine Rangliste der 30 umsatzstärksten Unternehmen, die in den Bereichen CZ-NACE 26 und 27 tätig sind. Die Unternehmen in dieser Rangliste erwirtschaften zusammen mehr als 450 Mrd. CZK. Aus Sicht der Eigentumsverhältnisse dominiert ausländisches Kapital – oft auch außerhalb Europas (Taiwan, USA, Südkorea, Japan). Die europäischen Hauptsitze der Unternehmen befinden sich dabei oft nicht in Tschechien (sondern beispielsweise in Ungarn, den Niederlanden oder Deutschland). Dies hat negative Auswirkungen für die Tschechische Republik: Strategische Entscheidungen über Investitionen, Entwicklungen oder die Schließung von Betrieben werden außerhalb der Tschechischen Republik getroffen, ein Teil der Gewinne fließt ab und die Motivation, Forschung und Entwicklung vor Ort anzusiedeln, ist geringer, wenn das Innovationsmanagement nicht im Inland erfolgt.
Innerhalb der Branche sind dabei zwei unterschiedliche Welten zu beobachten. NACE 26 ist stark konzentriert und stützt sich vor allem auf die Foxconn-Gruppe, deren tschechische Werke etwa 39 % des gesamten Abschnitts ausmachen; auch deshalb reichen „nur” sieben Unternehmen aus NACE 26 in den TOP 30 aus, um 48 % des Umsatzes der Rangliste zu erzielen.
Im Gegensatz dazu ist NACE 27 (elektrische Ausrüstung) stärker fragmentiert – die Anteile der einzelnen Unternehmen liegen im einstelligen Prozentbereich. Betrachtet man die Produktklassen, so hat 27.1 – Motoren, Generatoren, Transformatoren und Verteilungsanlagen – das größte Gewicht. Im Jahr 2024 machte sie 48 % des Umsatzes der gesamten NACE 27 aus und beschäftigte rund 49.000 Menschen. Das Wachstum dieser Klasse wird durch die Modernisierung der Energiewirtschaft, die Schienenverkehrstechnik und den Druck zu effizienteren Antrieben unterstützt. Auch die Klasse 27.2 – Batterien und Akkumulatoren – wuchs dynamisch, und zwar um etwa +58 % (2020–2024), angetrieben durch die Nachfrage nach Li-Ionen-Zellen für Elektromobilität und Notstromversorgungen.
In der TOP-30-Rangliste gibt es kein Unternehmen in rein tschechischem Besitz – und obwohl diese Offenheit Know-how und Aufträge bringt, schwächt sie gleichzeitig den heimischen Entscheidungsspielraum darüber, wo Spitzentechnologien in Tschechien Fuß fassen und wie viel Gewinn wieder reinvestiert wird.
Was hat die Umfrage unter den Unternehmen ergeben?
Die Unternehmen der Branche laufen auf Hochtouren. Drei Viertel von ihnen nutzten 2024 ihre Kapazitäten zu mehr als 80 %, und beispielsweise die Hersteller von Mess- und Prüfgeräten gaben an, dass sechs von zehn Unternehmen eine Kapazitätsauslastung von über 90 % haben ( ). Gleichzeitig hat sich bestätigt, dass NACE 27 per Definition exportorientiert ist – die meisten Unternehmen liefern mehr als die Hälfte ihrer Produktion ins Ausland. NACE 26, das die Herstellung von Computern, elektronischen und optischen Geräten und Ausrüstungen umfasst, ist vielfältiger, und viele Unternehmen haben hier überwiegend inländische Abnehmer.
Technologisch bleiben die Elektrotechnikunternehmen nicht zurück. Die meisten Unternehmen planen, in den nächsten zwei Jahren neue Technologien einzuführen – von der vorausschauenden Wartung über fortschrittliche Datenverarbeitung bis hin zu künstlicher Intelligenz in Produktion und Logistik. Die additive Fertigung (3D-Druck) hat sich mittlerweile von einer „Neuheit“ zu einem Standardwerkzeug für die Prototypenentwicklung und Kleinserienfertigung entwickelt. Was den Unternehmen hingegen zu schaffen macht, sind der Mangel an qualifizierten Mitarbeitern, übermäßiger Papierkram und häufige Änderungen der Vorschriften, die Komplexität rund um ESG, Unsicherheiten im Energiesektor und geopolitische Risiken.
Trends und Herausforderungen, die die Branche bewegen
1) Automatisierung und Digitalisierung: vom Pilotprojekt zum täglichen Betrieb
Die Digitalisierung ist kein „Projekt“ mehr, sondern eine Arbeitsweise. In der Praxis beginnen Unternehmen oft mit Daten – sie überwachen die Auslastung von Maschinen, die Qualität und den Energieverbrauch. Hinzu kommt die vorausschauende Wartung, die hilft, Ausfälle zu vermeiden und Zeit und Geld zu sparen. Der nächste Schritt ist in der Regel der Einsatz von KI in der Produktion und Logistik – beispielsweise bei der Schichtplanung, bei kurzfristigen Prognosen oder bei der Optimierung von Abläufen. Die großen Akteure sind in Sachen Digitalisierung und Automatisierung weiter fortgeschritten, aber kleinere Unternehmen holen dank erschwinglicherer Technologien und intelligenter Partnerschaften schnell auf.
Fast sieben von zehn Unternehmen planen, in den nächsten zwei Jahren neue Technologien einzuführen – das ist bereits ein deutlicher Trend und keine Einzelinitiative mehr.
2) ESG a energie: od kontroly „papírů“ k obchodní výhodě
Die europäischen Vorschriften sind da und bleiben bestehen. Wer seine Daten zu Energie und Emissionen in Ordnung hat, kommt leichter an Finanzierungen und hat eine bessere Position in Ausschreibungen – insbesondere bei multinationalen Abnehmern. Banken integrieren ESG nach und nach in ihre Kreditmodelle, sodass es nicht „nur um Berichterstattung” geht, sondern auch um den Preis des Geldes. Daneben laufen Förderprogramme für Einsparungen und Kreislaufwirtschaft, die eine gute Rendite für Investitionen in Technologien und Energiemanagement erzielen können. Sogar einige internationale Unternehmen beginnen bereits, ESG und den CO2-Fußabdruck ihrer Abnehmer und Lieferanten zu beobachten und beziehen diese in ihre Auswahlkriterien ein.
Ein hochwertiger ESG-Bericht und konkrete Maßnahmen zur Emissionsreduzierung helfen Unternehmen heute oft direkt dabei, Aufträge zu gewinnen.
3) Lieferketten: Sicherheit statt „Just-in-time“
Globale Lieferketten haben in den letzten Jahren aufgrund geopolitischer Spannungen (USA–China) und außergewöhnlicher Ereignisse wie Pandemien und Kriege einen grundlegenden Umbruch erlebt. Die EU hat 137 Produkte mit erhöhter Importabhängigkeit identifiziert, von denen 52 % der kritischen Importe aus China stammen; bei ausgewählten Seltenen Erden erreicht die Abhängigkeit bis zu 98 %. Als Reaktion darauf hat die EU 2023 den Critical Raw Materials Act verabschiedet, mit dem sie eine Diversifizierung der Ressourcen anstrebt, sowie den European Chips Act, der darauf abzielt, bis 2030 einen Anteil von 20 % an der weltweiten Chip-Produktion zu erreichen, die Widerstandsfähigkeit zu erhöhen und Forschung und Entwicklung zu fördern. Für tschechische Unternehmen bedeutet dies die Möglichkeit, sich an neu entstehenden Wertschöpfungsketten in der EU zu beteiligen, und gleichzeitig die Notwendigkeit, ihre Lieferanten systematisch zu diversifizieren und wichtige Posten vertraglich zu regeln. Dies entspricht auch den Ergebnissen der Studie, in der Unternehmen am häufigsten Herausforderungen in Form einer begrenzten Anzahl von Lieferanten und langen Lieferzeiten für kritische Komponenten nennen.
Bei den Importen in die Tschechische Republik ist die Rolle Chinas nach wie vor stark ausgeprägt – sie macht etwa ein Drittel des Wertes der Importe von elektrotechnischen Produkten aus, während die tschechischen Exporte hauptsächlich in die EU gehen.
4) Menschen und Fähigkeiten: Rückenwind
Nach Jahren des Drucks aufgrund des Mangels an qualifizierten Arbeitskräften verbessern sich die Aussichten: Die Zahl der Absolventen technischer Studiengänge in den Bereichen Elektrotechnik, Energietechnik, Elektronik und Automatisierung steigt. Das allein reicht jedoch nicht aus. Wer die Kapazitäten wirklich stärken will, muss die Absolventen schnell in die Praxis einarbeiten und systematisch in die Fähigkeiten der bestehenden Teams investieren –und gleichzeitig Routineaufgaben automatisieren, damit sich die Mitarbeiter auf Aufgaben mit höherer Wertschöpfung konzentrieren können.
Im Jahr 2024 wird die Zahl der Absolventen elektrotechnischer Studiengänge fast das Rekordniveau von 2011 erreichen.
Was bedeutet das für das Management?
Unternehmen stützen sich heute zunehmend auf Daten – die regelmäßige Überwachung von Qualität, Energieverbrauch oder Maschinenauslastung ebnet den Weg für vorausschauende Wartung und bessere Planung. Hinzu kommt nach und nach die erste Welle der KI in Produktion und Logistik, die die Produktivität auf ein neues Niveau hebt.
ESG wird zunehmend zu einem Geschäftsthema. Qualitativ hochwertige Daten und eine klare Strategie zur Senkung des Verbrauchs und der Emissionen helfen bei Ausschreibungen und eröffnen Zugang zu Fördermitteln.
Aus Sicht der Lieferketten ist es entscheidend, Risiken zu diversifizieren – insbesondere bei kritischen Posten wie Batterien oder spezifischen Komponenten aus Drittländern.
Und in Zukunft? Investitionen in Menschen und Automatisierung ergänzen sich gegenseitig – Schulungen erweitern die Möglichkeiten des Teams, während Automatisierung Kapazität und Margen schafft.
Die tschechische Elektroindustrie hat eine starke Position und eine solide Basis. Das nächste Jahrzehnt wird jedoch entscheiden, ob wir uns in Richtung größerer Selbstversorgung und höherer Wertschöpfung bewegen oder in der „Mittlerproduktfalle” stecken bleiben. Die Richtung ist dabei klar: intelligent digitalisieren, sich auf Daten stützen, den Energieverbrauch senken, Lieferketten diversifizieren und öffentliche und private Investitionen in Forschung und Entwicklung voll ausschöpfen. Wer dazu noch in Menschen und Automatisierung investiert, wird nicht nur „für andere montieren”, sondern Endlösungen mit höheren Margen schaffen. Die Daten aus der Studie zeigen, dass Unternehmen bereits umschwenken – sie planen Innovationen, steigern ihre Exportambitionen und suchen nach Möglichkeiten in strategischen Technologien. Entscheidend ist nur eines: die Geschwindigkeit und Qualität der Umsetzung.
ÜBER DIE STUDIE:
Die Studie entstand auf Initiative des Elektrotechnischen Verbandes der Tschechischen Republik. Bei ihrer Erstellung arbeitete dieser mit dem Team von BDO zusammen.
Die Studie soll einen datengestützten, verständlichen und fachlich fundierten Überblick über die Entwicklung und Struktur des tschechischen Elektrotechniksektors im Zeitraum 2020–2024 geben.
Der Zweck dieser Studie bestand nicht nur darin, die aktuelle Position der Branche zu beschreiben, sondern vor allem Unternehmen, Institutionen und Gesetzgebern zu helfen, sich besser in ihrer Dynamik zurechtzufinden und sich auf zukünftige Entwicklungen vorzubereiten.
Die Studie kombiniert daher statistische Daten (ČSÚ, MPO, ČNB, Eurostat), Jahresberichte und Daten aus der MERK-Datenbank mit einer qualitativen Umfrage unter Unternehmen. Die Umfrage wurde im Zeitraum April bis Juni 2025 durchgeführt, wobei 50 Befragte aus den Abschnitten CZ-NACE 26 und 27 sowie aus verwandten Bereichen teilnahmen. Die Daten wurden anonym ausgewertet.