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Rechtsmissbrauch und Steuernachbemessung

In den letzten Jahren und leider immer öfter wird sowohl in dem öffentlichen Raum als auch unter der Fachsteueröffentlichkeit, die Wendung Rechtsmissbrauch erwähnt. Viele von Ihnen werden wohl in diesem Zusammenhang Kronenschuldverschreibungen oder Unternehmensveräußerungen an sich selbst einfallen. Häufig werden weitere Erwägungen über Rechtsmissbrauch unter Unternehmern mit folgenden Worten beiseitegeschoben: „Das betrifft uns doch nicht, wir sind ehrlich“. Der Appetit der Steuerverwaltung nach Steuernachbemessungen auf Grund des Prinzips des Rechtsmissbrauchs wird größer und oft kommt es auch zu einer sehr extensiven Auslegung dieses Prinzips von der Steuerverwaltung mit dem Ziel, eine maximale Menge von Finanzmitteln in die heutzutage eher leere Staatskasse zu bekommen.

Was alles kann von der Steuerbehörde als Rechtsmissbrauch gehalten werden? Obwohl der Rechtsmissbrauch in den Urteilen des Obersten Verwaltungsgerichts bereits mehrmals berücksichtigt wurde, in der Abgabenordnung wurde der Rechtsmissbrauch in 2019 verankert, und zwar in § 8 Abs. 4, der wie folgt lautet: „Bei der Steuerverwaltung werden die Rechtsgeschäfte und andere für die Steuerverwaltung maßgebende Tatsachen nicht berücksichtigt, deren überwiegender Zweck die Gewährung einer Steuerbegünstigung im Widerspruch zum Sinn und Zweck der Steuerrechtsvorschrift ist.“ Eine ähnliche Regel setzten auch andere EU-Staaten in ihren Nationalrechten um. Die Regelung kann so ausgelegt werden, dass obwohl alle Schritte im Einklang mit dem geltenden Recht standen und formal in Ordnung waren (z. B. gemäß dem Bürgerlichen Gesetzbuch oder Handelsgesellschafts- und Genossenschaftsgesetz…), wurden sie vorsätzlich so durchgeführt, dass der überwiegende Zweck und die Folge der so gewählten Schritte die Steuernichtabführung oder deren Minimierung waren.

Ein Beispiel, das von der Steuerverwaltung eindeutig für einen Rechtsmissbrauch gehalten wird, kann das Bestreben sein, ein Grundstück ganz ohne Besteuerung zu veräußern, welches im Geschäftsvermögen einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist. Im Falle der Veräußerung des Grundstücks, das Eigentum der Gesellschaft ist, unterliegt der gesamte, oft nicht unerhebliche Verkaufserlös, der Körperschaftssteuer von 19 %. Sollte jedoch das Grundstück in eine andere tschechische GmbH (s.r.o.) ausgegliedert und nachfolgend nicht das Grundstück, sondern der Anteil an der s.r.o. von einem Gesellschafter-natürlicher Person nach der Erfüllung der Besitzdauer von 5 Jahren verkauft werden, ist der ganze Ertrag aus der Veräußerung der Gesellschaft (die nur das Grundstück besitzt) von der Körperschaftssteuer befreit. Erfolgte die gesamte Ausgliederungstransaktion und der Anteilsverkauf nur aus dem Grund der Steuerersparnis und wurde somit eine künstliche Verkaufstransaktion des Anteils anstatt des Grundstücks gebildet, dann handelt es sich um einen Rechtsmissbrauch.

Wie wir alle wissen, die Praxis ist in der Regel bunter und es kann für die Wahl eines gewissen Rechtsvorgangs eine Unmenge von Gründen geben, die der Steuerverwaltung als unwesentlich erscheinen können. Leider ist es der erste Eindruck, oft ohne eine gründliche Analyse, der die Steuerbehörde dazu bewegt, das Steuersubjekt des Rechtsmissbrauchs zu bezichtigen und die angeblich nicht abgeführte Steuer einzutreiben. In der Praxis stoßen wir darauf, dass Steuerbehörden eine bestimmte Art von Transaktionen als Rechtsmissbrauch klassifizieren und danach, ohne den Sinn einer konkreten Transaktion zu verstehen, eine ordnungsgemäße Beweisführung und Auswertung von Beweisen in allen Zusammenhängen versuchen, die Steuer einzutreiben. Seit einiger Zeit konzentriert sich die Steuerverwaltung auf die Gestaltung von Holdingstrukturen ohne Änderung oder einer scheinbaren Änderung der Endeigentümer, auf Verkäufe oder Einbringungen von Anteilen unter verbundenen Unternehmen oder nahestehenden Personen u. ä. Erhalt von steuerfreien Einkünften aus Veräußerungen von Tochtergesellschaften an Holdinggesellschaften oder aus Ausschüttung von Eigenkapitalteilen nach der Einbringung von Anteilen in Holdinggesellschaften, dies sind die gegenwärtigen Ziele der Finanzverwaltung. Der Rechtsmissbrauch liegt dann laut der Steuerverwaltung in einigen gegenseitig verbundenen und in einem kurzen Zeitabstand abgeschlossenen Transaktionen, die zusammengenommen zur Gewinnung einer Steuerbegünstigung führten.

Auch wenn das Steuersubjekt nach dem Erhalt der Post von dem Finanzamt in dessen Augen zumindest als ein „gemeiner Verdächtiger“, wenn nicht mal gleich Verurteilter gilt, ist es angebracht sich adäquat zu wehren und der Steuerbehörde alles zu erläutern. Wie bei vielen weiteren Steuerverfahren gilt leider auch in diesem Fall, dass das Steuersubjekt eine ungünstigere Stellung hat, es muss sich gegen die Bezichtigung der Steuerbehörde verteidigen und Beweise über die von ihm behaupteten Tatsachen vorzulegen, d.h. beispielsweise Anspruch auf eine Befreiung oder Besteuerungshöhe. Im Falle des Rechtsmissbrauchs liegt jedoch die Beweislast auf Seiten der Steuerbehörde und somit ist es die Steuerbehörde, die zu beweisen hat, dass der überwiegende Zweck der Erhalt eines Steuervorteils war. Die Steuerbehörde muss laut Gesetz beweisen, dass andere Tatsachen, wegen denen die Transaktion durchgeführt wurde, nicht überwiegen, und dass der Hauptgrund die Gewinnung eines Steuervorteils war. In diesem Sinn lautet auch das Urteil des Obersten Verwaltungsgerichts AZ 5 Afs 114/2019: „Der Rechtsmissbrauch kann als kein Auslegungsgrundsatz angewandt werden, wenn die betriebene Tätigkeit auch einen anderen Zweck haben kann als nur eine bloße Erreichung einer Steuervergünstigung“. In Wirklichkeit zielt die Steuerbehörde jedoch bei der Beweisführung nur zur Bestätigung ihrer Theorie, daher ist es unentbehrlich alle Beweismittel direkt im Laufe der Betriebsprüfung vorzuschlagen, die die Ausgangspunkte, Vorhaben und Ziele der Transaktionen bestätigen. Leider bemüht sich die Steuerbehörde gewöhnlich nur darum, die abgegebenen Erläuterungen zu den Transaktionen in Zweifel zu ziehen. Es muss wohl immer das Steuersubjekt sein, das die Bezichtigung des Rechtsmissbrauchs widerlegt, für seine Unschuld kämpft und beweist, dass die überwiegenden Gründe für die Transaktion andere waren als nur eine bloße Gewinnung einer Steuerbegünstigung. Es ist immer erforderlich das wirtschaftliche Wesen der Transaktion sowie deren Gründe zu kennen und imstande sein diese zu beschreiben und zu beweisen. Es ist auch bedeutend, ob die beabsichtigten wirtschaftlichen Ziele der Transaktion im Zeitpunkt der Betriebsprüfung bereits real die Stellung der Unternehmen innerhalb der Gruppe beeinflussten.

Obwohl der Grundsatz des Rechtsmissbrauchs in der Abgabenordnung erst im Jahre 2019 auftauchte, bezieht sich die Anwendung und die Auswirkung der Regelung auch auf Transaktionen, die vor diesem Jahr erfolgten. Ein Beispiel können Einkünfte aus Forderungen aus dem Titel des Geschäftsanteilsverkaufs, Einkünfte aus Rückerstattungen von Überzahlungen außerhalb des Stamm-/Grundkapitals bei der Anpassung einer Holdinggestaltung oder das Bestreben um Entziehungen der  Befreiungen bei Gewinnanteilsausschüttungen zwischen Mutter- und Tochtergesellschaften sein, die heute erfolgen und ausgeschüttet werden, aber ihre Herkunft in der Vergangenheit zum Zeitpunkt der Veräußerung oder Umwandlung z.B. im Jahre 2016, 2014 oder auch früher haben.  

Es ist empfehlenswert dem Grundsatz des Rechtsmissbrauchs Aufmerksamkeit zu schenken, da es sich um eine von der Steuerverwaltung oft angewendete Methode handelt, wie Steuereinzug erzielt werden kann. Es ist ebenfalls empfehlenswert die erzielten Ziele der Unternehmenstransaktionen sowohl in dem Fall, dass der Geschäftsanteilsverkauf oder einer Holdinggestaltung in der Vergangenheit erfolgte, als auch für den Fall, dass Sie es jetzt vornehmen oder vorhaben, zu überprüfen. Bei bereits bestehenden Holdinggestaltungen empfehlen wir deren wirtschaftliches Wesen zu prüfen und vor allem auszuwerten, ob Sie im Falle der Infragestellung seitens der Steuerverwaltung imstande sind das wirtschaftliche Wesen zu beweisen und zu verteidigen. Wenn Sie gerade eine neue Holdingstruktur oder Anteilsübergabe im Rahmen der Familie vornehmen oder beabsichtigen, schenken Sie bitte ihre Aufmerksamkeit allen wirtschaftlichen Gründen und deren Dokumentation. Es ist angebracht Informationen und Gründe bezüglich der Transaktion in einem Ordner für Zwecke des künftigen Nachweises und einer wirksamen Verteidigung zu speichern. Zum Zeitpunkt der Transaktionsvornahme sind die Gründe und die gewählten Verfahren allen Betroffenen klar, jedoch im Falle einer Prüfung 6 oder 10 Jahre später kann man sich nicht mehr an alle Schlüsseldetails erinnern, das Nachweisen wird kompliziert und einige Transaktionsbeteiligte müssen nicht mehr bereit oder imstande sein, alles zu erläutern um die Vermutungen der Steuerbehörde aufs rechte Gleis zu führen.